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Urteile in Deutschland
LG München: Vorstand einer AG haftet für mangelhaftes Compliance-System - 15 Mio. Euro Schadensersatz
Das LG München hat entschieden, dass der Vorstand einer AG für ein mangelhaftes Compliance-System im Unternehmen haftet. Das Gericht verurteile ein Vorstandsmitglied eines börsennotierten Unternehmens zu 15 Mio. EURO Schadensersatz.
Das Gericht führt aus, dass ein Vorstandsmitglied seiner Organisationspflicht bei entsprechender Gefährdungslage nur dann genügt, wenn er eine auf Schadensprävention und Risikokontrolle angelegte Compliance-Organisation einrichtet.
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Im Rahmen seiner Legalitätspflicht hat ein Vorstandsmitglied dafür Sorge zu tragen, dass unternehmen so organisiert und beaufsichtigt wird, dass keine Gesetzesverstöße wie Schmiergeldzahlungen an Amtsträger eines ausländischen Staates oder an ausländische Privat-personen erfolgen. Seiner Organisationspflicht genügt ein Vorstandsmitglied bei entsprechender Gefährdungslage nur dann, wenn er eine auf Schadensprävention und Risikokontrolle angelegte Compliance-Organisation einrichtet. Entscheidend für den Umfang im Einzelnen sind dabei Art, Größe und Organisation des Unternehmens, die zu beachtenden Vorschriften, die geografische Präsenz wie auch Verdachtsfälle aus der Vergangenheit.
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Die Einhaltung des Legalitätsprinzips und demgemäß die Einrichtung eines funktionierenden Compliance-Systems gehört zur Gesamtverantwortung des Vorstands.
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Liegt die Pflichtverletzung eines Vorstandsmitglieds in einem Unterlassen, beginnt die Verjährung im Falle der Nachholbarkeit der unterlassenen Handlung nicht schon dann, wenn die Verhinderungshandlung spätestens hätte erfolgen müssen, sondern erst dann, wenn die Nachholbarkeit endet.
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Verhandlungen im Sinne des § 203 BGB betreffen einen bestimmten Lebenssachverhalt, aus dem die eine Seite Rechte herleitet, wobei der Lebenssachverhalt grundsätzlich in seiner Gesamtheit verhandelt wird. Die Aufnahme von Verhandlungen führt dazu, dass dieser Umstand auf den Zeitpunkt des ersten Anspruchsschreibens zurückwirkt.
Schadensersatzklage gegen den Arbeitgeber und gegen den Maschinenhersteller
Der seit 1. Juni 2006 bei der Betreiberin B als Produktionsmitarbeiter beschäftigte Arbeitnehmer A erlitt am 3. Juli 2006 an einer nicht CE-gekennzeichneten Punktschweißmaschine[1] bei einem Arbeitsunfall schwerste Quetschverletzungen an beiden Händen als er ein verkantetes Metallstück entfernen wollte. Die Berufsgenossenschaft erkannte eine Minderung der Erwerbsfähigkeit bisher in Höhe von 60 % an.
Das Landgericht Siegen wies die Klage als unbegründet ab. „Der Kläger hat leider einen sehr bedauerlichen und äußerst tragischen Unfall erlitten, für den die Beklagte im Ergebnis jedoch nicht haftbar gemacht werden kann“. Das Gericht prüfte weder genau das Produkthaftungsgesetz (ProdHaftG) noch die allgemeine Schadensersatzvorschrift § 823 BGB, denn Ansprüche würden jedenfalls „an einem anspruchsausschließenden Mitverschulden des Klägers nach § 254 BGB scheitern“. Der Kläger habe „den Unfall so weit überwiegend mit verschuldet“, dass sogar sein Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Frage der sicherheitstechnischen Ausstattung der Maschine abgelehnt wurde.
Die Klageabweisung stützt sich insbesondere auf eine Zeugenaussage eines Einweisers, der den später geschädigten Maschinenbediener eingeschult hatte. Aus seinen Aussagen leitet das Gericht ab, dass der Geschädigte den Unfall selbst verschuldet hat.
Tötlicher Unfall an Flachglasmaschine Schadensersatzklage
Gegenstand dieses Strafverfahrens ist ein schwerer Arbeitsunfall, der sich am 22.07.2010 in den Betriebsräumen der H.-GLas-Unternehmensgruppe in D. ereignet hat. Dabei wurde der 19jährige Auszubildende zum Flachglasmechaniker Björn S. in der Fabrikationshalle der Y.-Glas GmbH & Co. KG bei der Bedienung einer computergestützten Glaskantenschleifmaschine von dem beweglichen Maschinenkopf an der Metallwand der Schleifmaschine mit dem gesamten Körper erfasst und eingeklemmt; er verstarb am folgenden Tage an den hierdurch erlittenen schwersten Kopfverletzungen.
Ursache für diesen Betriebsunfall war das Fehlen einer funktionstüchtigen Lichtschrankenanlage, die zwar teilweise an der Maschine noch vorhanden, aber durch elektronische Manipulationen überbrückt worden war.
Dafür, dass die Maschine - jahrelang - ohne diese Sicherheitseinrichtung betrieben und dies dem Auszubildenden Björn S. am Unfalltage zum Verhängnis wurde, sind die Angeklagten zu 1.-5. verantwortlich, und zwar die Angeklagten Heinrich und Hermann R. als Geschäftsführer bzw. Inhaber aufgrund der von ihnen gemeinsam getroffenen Entscheidung, die Maschine ohne die Sicherheitseinrichtung zu betreiben, der Angeklagte A., der die Maschine entsprechend dieser Entscheidung aufgebaut hat, und die Angeklagten Ro. und H., die als Mitgeschäftsführer bzw. Produktionsleiter der Y.-Glas GmbH & Co. KG den Betrieb der ungesicherten Maschine mitzuverantworten haben.
1 Die Angeklagten Heinrich R., Hermann R., H. und A. sind der fahrlässigen Tötung schuldig.
2 Die Angeklagten Heinrich R. und Hermann R. werden jeweils zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wird.
3 Der Angeklagte A. wird zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 40,- EUR verurteilt.
4 Der Angeklagte H. wird verwarnt. Die Verurteilung zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 40,- € bleibt vorbehalten.
5 Der Angeklagte Ro. wird wegen fahrlässigen Unterlassens einer Aufsichtsmaßnahme, die erforderlich ist, um in einem Unternehmen Zuwiderhandlungen gegen Pflichten zu verhindern, zu einer Geldbuße von 10.000,- EUR verurteilt.
6 Der Angeklagte B. wird wegen versuchter Strafvereitelung zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 100,- EUR verurteilt.
Unfall an der Drehmaschine
LG Rottweil Urteil September 2012
Urteil des LG Rottweil vom 14.09.2012 – 3 O 349/11 –
1987: Kauf einer CNC-Drehmaschine
• Betrieb möglich auch ohne geschlossene Schutztüren!!! (Schutztürverriegelung aus)
• 1993: Beklagter übernimmt Betrieb = "Betriebsinhaber"
• 2008 August: Arbeitsunfall
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Amtsgericht Tuttlingen: Verurteilung wegen fahrlässiger Körperverletzung
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BG verlangt wegen € 40.000,- Unfallfolgekosten
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Urteil: BetrSichV regelt "elementare Sicherheitspflichten". Anhang I Nr. 2.8 BetrSichV def. von Schutzeinrichtungen
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§ 4 Abs. 2 Satz 1 auch hier wurden schon Schutzeinrichtungen definiert.
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Es gab zwar Einweisung und Anweisung "nicht zu versuchen, Probleme allein zu beheben"
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aber: kein "konkreter Hinweis" und "Unternehmer darf sich nicht darauf verlassen, dass der Arbeitnehmer die
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nötige Sorgfalt stets beachtet
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unentschuldbar denn es wurde 15 Jahre nichts getan
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zwar wusste er nicht, "dass die Maschine den Arbeitsvorgang fortsetzt"
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aber "auf vage Vorstellungen durfte er sich in Anbetracht der erheblichen Gefahren für seine Arbeiter nicht verlassen"
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kein Mitverschulden der Arbeitnehmerin – nur "Augenblicksversagen"
BG hat Recht bekommen - Zahlung 39.825,-
Hinzu kommen weitere Kosten für die Rente etc.
https://dejure.org/dienste/vernetzung/rechtsprechung?
Unfall an der Glastür
Bundesgerichtshof (BGH) Urteil März 2010
Sachverhalt:
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1996: Glastür in Bank = "Vorschrift für kraftbetätigte Fenster, Türen und Tore" » ZH 1/494 HVBG
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2005 Dezember: neue DIN 18650 Automatische Türsysteme = Sicherheitseinrichtungen zum Schutz gegen das Einklemmen bzw. Quetschen an den Hauptschließkanten der Türflügel
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2006 Oktober: Klägerin verletzt sich an der nicht der neuen DIN entsprechenden Tür
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Urteil: Tue alles Zumutbare um andere nicht zu schädigen (§ 823 BGB)
"Welche Sicherheit und welcher Gefahrenschutz im Rahmen der Verkehrssicherungspflicht zu
gewährleisten sind, richtet sich nicht ausschließlich nach den modernsten Erkenntnissen und nachdem neuesten Stand der Technik. Es kommt vielmehr maßgeblich auch auf die Art der Gefahrenquelle an.
Je größer die Gefahr und je schwerwiegender die im Falle ihrer Verwirklichung drohenden Folgen sind, um so eher wird eine Anpassung an neueste Sicherheitsstandards geboten sein."
Der Unfall war 9 Monate nach Inkrafttreten der DIN-Norm – und das Gericht sagt schlicht: „Die DIN-Norm gilt seit 1.12.2005, so dass sie am Vorfallstag bereits hätte umgesetzt worden sein müssen“.
"Soweit es sich um Gefahren handelt, die nicht so schwerwiegend und für den Verkehr im Allgemeinen erkennbar und mit zumutbarer Sorgfalt und Vorsicht beherrschbar sind, kann dem Verkehrssicherungspflichtigen im Einzelfall jedenfalls eine angemessene Übergangsfrist zuzubilligen sein"
Normen kostenlos lesen
Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 5. März 2024, Az. C-588/21 P
Sachverhalt:
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Es ging um harmonisierte technische Normen (HTN) für Spielzeugsicherheit. Zwei Unternehmen forderten freien Zugang zu ihnen. Derzeit können Firmen und Privatpersonen solche HTN in der Regel nur von den Normungsorganisationen – wie dem Deutschen Institut für Normung (DIN) in Deutschland – kaufen.
- Die EU-Kommission verweigerte den freien Zugang und argumentierte, dass harmonisierte Standards urheberrechtlich geschützt seien.
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Normen, die EU-weit die Standards für Produkte festlegen, müssen Bürger jederzeit gratis lesen können, hat der Europäische Gerichtshof entschieden. Als Folge könnten auch deutsche Unternehmen nicht mehr beim DIN kaufen müssen.
Die HTN für Spielzeugsicherheit sind ein Teil des Unionsrechts, entschieden die Europarichter. Und weil dies so sei, hätten Bürger nach Art. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 (Verordnung über den Zugang der Öffentlichkeit zu EU-Dokumenten) einen Anspruch auf freien Zugang zu ihnen. Die EU-Bürger sollten die wichtigen Normen kennen, um über ihre Rechte und Pflichten Bescheid zu wissen. Auch können sie so überprüfen, ob ein Produkt oder eine Dienstleistung den Anforderungen entspricht.
Öffentliches Interesse sticht Urheberrecht
Die Bedenken der EU-Kommission zum Urheberrecht teilte der EuGH nicht. Laut der Verordnung EG Nr. 1049/2001 könne der öffentliche Zugang zu einem Dokument zwar verweigert werden, wenn dadurch geschäftliche Interessen einer Person beeinträchtigt würden. Das größere öffentliche Interesse an der Veröffentlichung gehe hier aber vor. Der EuGH hat in seinem Urteil ausdrücklich offengelassen, ob HTN urheberrechtlich geschützt sind.
Amtlich geht es um die Rechtssache C-588/21 P – die auch als „Malamud-Fall“ bezeichnet wird und eine längere Vorgeschichte hat. Denn die vom Internetaktivisten Carl Malamud gegründete Organisation Public.Resource.Org hatte im Dezember 2012 zahlreiche Normen frei verfügbar ins Internet gestellt und wurde deshalb wegen Urheberschutzverletzungen verklagt, unter anderem vom DIN (Deutsches Institut für Normung). Das Landgericht Hamburg gab dem DIN im März 2013 recht und begründete: „Auch DIN-Normen können urheberrechtlichen Schutz genießen, wenn sie die sonstigen allgemeinen urheberrechtlichen Voraussetzungen erfüllen.“ Zur Einsehbarkeit reiche es, wenn die Normen öffentlich ausgelegt werden. Ihrerseits verklagte die Organisation von Malamud später die Europäische Kommission. Nun wird das Urteil dazu erwartet.
(Quelle: VDI-Nachrichten)